Obersulm/Stuttgart (epd). Als es Waltraud Mäschle nicht gut ging, als die Diagnose Krebs im Raum stand, da kam die Religionslehrerin immer wieder ins Gespräch mit den Eltern ihrer Schüler über das, was im Leben trägt. Im September 1982, als sie wieder gesund war, lud sie in ihr Wohnzimmer in Obersulm-Willsbach (Kreis Heilbronn) ein, zum „Religionsunterricht für Erwachsene“. Daraus ist in 40 Jahren ein weltweit übernommenes Erfolgsprojekt geworden.

Nichts Verschultes erwartete damals die Interessierten, sondern ein Kreis um bunte Bodenbilder mit Alltagsgegenständen, Naturmaterialien und Symbolen. Eigene Lebenserfahrungen, Assoziationen und Empfindungen konnten die Teilnehmenden einbringen und in Beziehung zu einer biblischen Geschichte setzen. Das Angebot, sich in liebevoll gestalteter Atmosphäre interaktiv mit Glaubensinhalten auseinanderzusetzen, schlug ein. Bald war das Zuhause der Katechetin zu klein, sodass der „Reli“ im Backhäusle, im Gemeindehaus und mit weiteren Kursleiterinnen auch an anderen Orten des evangelischen Kirchenbezirks Weinsberg stattfand.

„Für die fruchtbarste Initiative, die Botschaft der Bibel zeitgemäß umzusetzen, eine wahre Pflanzschule des Glaubens“ verlieh Württembergs evangelischer Landesbischof Theo Sorg 1992 Waltraud Mäschle den ersten Bibelpreis der Landeskirche. 1996 ehrte sie Kultusministerin Annette Schavan (CDU) mit der Verdienstmedaille der Bundesrepublik Deutschland.

Dass die deutschlandweit bekannten Kurse zum Glauben nach dem Willsbacher Modell – heute unter dem Namen „Stufen des Lebens“ bekannt – nach Mäschles Tod 1999 in elf weitere Länder gebracht wurden, daran hat auch Erika Stein Anteil. Die Pfarrfrau, die seit dreißig Jahren mit großer Freude ehrenamtlich Kurse leitet, war mit ihrem Mann Gotthilf im Auftrag von „Stufen des Lebens“ zwischen 2014 und 2019 fünfmal in Samara sowie in St. Petersburg, Kazan und Moskau.

„Verantwortliche Frauen aus lutherischen Gemeinden sind aus dem ganzen europäischen Teil Russlands und aus der Ukraine angereist, um an den Schulungen für die Kurse teilzunehmen“, erzählt die gelernte Krankenschwester. In Samara dabei war auch Irina Solej, Pastorin aus Tiflis, die nun in verschiedenen Teilen Georgiens sowie im aserbaidschanischen Baku mit „Stufen des Lebens“ Menschen zu Glaubenserfahrungen verhilft.

Die thematischen Kurse mit jeweils vier zweistündigen Einheiten, die am Abend oder am Vormittag besucht werden können, sind auch zu Hause in Backnang gefragt. Rund 100 Kurse mit jeweils etwa 25 Personen seien es in den vergangenen 20 Jahren gewesen, schätzt Stein. Neben Treffen im Alltag habe sie mit ihrem Team auch einige Jahre eine Sommerakademie im Gemeindehaus der Stiftskirche durchgeführt.

Viele Teilnehmende sind Wiederholungstäter. So wie Brigitte Urbansky, die die Treffen als „Balsam für die Seele“ erlebt, bei denen man sich gegenseitig stärkt. „Das Leben besteht aus Stufen, die mal niedrig, mal hoch sind“, ist ihre Erfahrung. „Gott holt uns da ab, wo wir gerade sind.“

Wie lebensrelevant biblische Inhalte seien, hat Beate Schäfer für sich in einem Kurs in Kleinaspach mit Erika Stein entdeckt, den sie eigentlich für ihre Kinderkircharbeit besucht hatte. „Es hat mich nie wieder losgelassen“, sagt die Frau, die seit 18 Jahren die erfahrene Multiplikatorin in vielen Kursen begleitet. Auch für zahlreiche weitere Mitarbeitende bei den aufwendig gestalteten Treffen mit Imbiss und Deko ist Stein dankbar. Viele Materialien für die Bodenbilder bastelt das Team selbst.

Dass Leitende, egal ob haupt- oder ehrenamtlich, für jeden der bislang 18 verschiedenen Kurse eine zwei- bis dreitägige Schulung besuchen müssen, findet Erika Stein richtig: „Die Kurse müssen zuerst bei den Leitenden im Herzen ankommen. Es geht um das gemeinsame Erleben und Reflektieren.“

Die Nachfrage nach den Kursen sei deutschlandweit nach Corona zurückgegangen, sagt Damaris Friedrich, Leiterin bei „Stufen des Lebens“. Die Verantwortlichen seien gerade dabei, neue Ideen zu sammeln, um die nächste Generation zu erreichen. Ein Angebot gibt es bereits: Bodenbilder zu den Festen des Kirchenjahrs und zum Vaterunser, die in geöffneten Kirchen Besucher einladen, mit kleinen Aktionen sich selbst und Gott zu begegnen.

Quelle: 0929/02.05.2024 epd lbw ur mp

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