„Ein Bauer geht auf sein Feld, um auszusäen…“ So fangt eine Geschichte an, die Jesus erzählt, und mit dieser Geschichte fängt auch der Gottesdienst an diesem Erntedank-Tag an. Aber heute ist es anders als sonst: der Altar ist festlich geschmückt mit großen Sonnenblumen und um den Altar herum stehen viele mitgebrachte Dinge, die nach dem Gottesdienst an Bedürftige über die Tafel weitergegeben werden. Und wir sitzen nicht wie sonst wie in einem Theater und schauen alle nach vorne, sondern wir sitzen im Kreis um eine Mitte, in der ein kunstvoll gestaltetes großes Bodenbild mitten im Gottesdienstraum vor uns liegt: Ein Sämann steht in der Mitte, der seine Saat auswirft – und das Feld, das er beackert, ist merkwürdig aufgeteilt: ein Weg mit Vögeln, die nur darauf warten, die Samen aufzupicken, eine Ecke mit Steinen, in denen die Saat verdorren wird, eine Ecke mit Dornen, die die aufkeimende Saat ersticken werden – und ein Bereich, in dem die Saat aufgeht und Frucht bringt.
Wie schön, dieses Gleichnis von Jesus zum Erntedank-Tag in den Mittelpunkt des Gottesdienstes zu stellen. Und wie schön, dieses vielfältige Ackerfeld in der Mitte des Gottesdienstraumes vor unseren Augen entstehen zu lassen. Da wir im Kreis sitzen, können wir uns gegenseitig anschauen und wir sind alle mit hineingenommen in das Ackerfeld, das zwischen uns liegt und sich nach und nach füllt.
Welche gute Saat ist bei dir aufgegangen in deinem Leben? Wer hat etwas in dich hineingelegt, was zu guter Frucht wurde? Und was hat in deinem Leben der Hitze nicht widerstanden, ist unter den Dornen verdorrt oder auf deinem Lebensweg unter die Räder gekommen und zertreten worden? Beim Betrachten dieses merkwürdige Ackerfeldes fällt mir manches ein, was als gute Frucht in meinem Leben aufgegangen ist. Aber auch manches, was unter die Räder gekommen und verdorrt ist. All das gehört zu meinem Leben – das Geglückte und das Missglückte, das Fruchtbare und das Furchtbare – und alles dazwischen auch. Ich merke, wie dankbar ich bin für alles, was in meinem Leben Raum hat – für Begegnungen und Beziehungen, für Arbeit und Erholung, für Freundschaft und Aufgaben. Und ich merke, wie auch der steinige Weg, die Dornen und die hungrigen Vögel in meinem Leben Spuren hinterlassen haben. Beides gehört zusammen und ist oft – wie in dem Bodenbild – gar nicht so einfach voneinander zu unterscheiden. Die Katastrophe und das Glück liegen nicht meilenweit auseinander, sondern sie sind direkt nebeneinander – nur ein paar Zentimeter voneinander getrennt.
Der Sämann Jesus sät auch heute noch. Er ist nicht böse über das, was verdorrt und nicht gelingt. Er selbst ist die Hoffnung, dass gute Saat aufgeht und reift und wächst und reichlich Frucht bringt. Der Meister des Lebens ist im Zentrum der Geschichte, die er erzählt und die ich wieder ganz neu höre und aufnehme. Wie schön, dass genug Saatgut da ist und es immer wieder etwas zu ernten gibt. Und wie gut, dass genug Ernte da ist, damit wir alle auch denen noch abgeben können, die es nötig haben, weil sie bedürftig sind. Das ist wirklich Ernte-Dank!
Sie sind neugierig geworden, was es wohl mit der Geschichte und diesem schönen Bodenbild auf sich hat? Sie können das Bodenbild gerne besichtigen und bestaunen – es ist im Foyer der FeG aufgebaut und erwartet Besucherinnen und Besucher, die sich in aller Ruhe darauf einlassen wollen. Die Tür ist auf – hereinspaziert und herzlich willkommen…
Matthias Vering, Bad Schönborn